18 September 2013

Die Bundestagswahl und Europa (13): EU-Konvent, Demokratie, Erweiterung

Bei der Bundestagswahl im kommenden September wählen die Deutschen nicht nur ihre nationalen Abgeordneten, sondern auch ihre Vertreter in den intergouvernementalen EU-Organen. Welche Alternativen stehen dabei zur Auswahl? In einer Sommerserie vergleicht dieses Blog die europapolitischen Vorschläge in den Wahlprogrammen der Bundestagsparteien – CDU/CSU (EVP), SPD (SPE), FDP (ALDE), Grüne (EGP) und Linke (EL). Als letzte Folge heute: die Zukunft der EU. (Zum Anfang der Serie.)

Reform der EU-Verträge

„Mehr Europa“ ist schnell gesagt. Erfreulicherweise haben die meisten deutschen Parteien auch noch ein paar konkretere Reformvorschläge.
Wenn über die weitere Entwicklung der Europäischen Union eines sicher ist, dann dass die nächsten Jahre große Veränderungen bringen werden. Die Eurokrise hat nicht nur zahlreiche Designfehler der Währungsunion offengelegt, sondern auch verdeutlicht, wie schwer es der EU mit ihrem heutigen Institutionengefüge fällt, im Ernstfall gesellschaftliche Zustimmung für ihre Entscheidungen zu erzeugen. Europa muss nicht nicht nur handlungsfähiger, sondern auch demokratischer werden: Diese Überzeugung scheint nicht nur in Brüssel, sondern auch in vielen anderen europäischen Hauptstädten an Kraft zu gewinnen. Gut möglich, dass wir deshalb noch vor der Bundestagswahl 2017 die nächste große EU-Vertragsänderung nach Lissabon erleben werden. Und natürlich käme der nächsten deutsche Bundesregierung dabei eine entscheidende Rolle zu. Was also sagen die deutschen Parteien zu diesem Thema?

Im Fall der CDU/CSU ist die Antwort auf diese Frage kurz: nichts. Im Wahlprogramm der Kanzlerinnenpartei findet sich lediglich ein einziger europapolitischer Vorschlag, der eine Vertragsreform erforderlich machen würde; er lautet: „Wir halten an unserem Ziel fest, die im Grundgesetz betonte Verantwortung vor Gott auch im EU-Vertrag deutlich zu machen.“ Über darüber hinausgehende Neuordnungen etwa im Kompetenzgefüge der EU möchte Angela Merkel gerne „nach der Bundestagswahl“ diskutieren – also wenn der Wähler sein Kreuz bereits gesetzt hat.

Europäischer Konvent

Alle anderen Bundestagsparteien hingegen sprechen sich in ihren Wahlprogrammen ausdrücklich für eine Vertragsreform aus. Als Weg dafür fordern SPD, Grüne und FDP die Einberufung eines Europäischen Konvents, an dem nach Art. 48 EU-Vertrag Vertreter des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission, der nationalen Regierungen und der nationalen Parlamente beteiligt wären. Außerdem wollen die Grünen auch „Vertreterinnen und Vertreter […] der Zivilgesellschaft und SozialpartnerInnen“ mit einbinden, ohne genau zu erklären, wie das rechtlich zu bewerkstelligen wäre. Die FDP wiederum behält sich vor, auch andere Wege zu nutzen, falls „die Konventsmethode nicht gangbar ist, weil einige wenige nicht wollen“: In diesem Fall soll die Vertragsreform nach dem Vorbild des Fiskalpakts erfolgen, also durch einen eigenen völkerrechtlichen Vertrag, der neben dem alten EU-Vertrag existieren würde.

Über die grundsätzliche Richtung der Vertragsreform sind sich die Parteien weitgehend einig: Die Grünen wollen „mehr Demokratie“ und „Mitbestimmung der europäischen BürgerInnen auf allen politischen Ebenen“, die SPD will die EU „demokratischer, transparenter, gerechter und effizienter“ machen, die Linke „eine demokratische, soziale, ökologische und friedliche Europäische Union“. Das anspruchsvollste Schlagwort gebraucht die FDP: Am Ende der Vertragsreformen soll für sie „ein durch eine europaweite Volksabstimmung legitimierter europäischer Bundesstaat stehen“. Blickt man allerdings etwas genauer hin, so geben die Positionen der Parteien schnell ein deutlich differenziertes Bild.

Stärkung des Europäischen Parlaments

SPD, FDP, Grüne und Linke wollen dem Europäischen Parlament mehr Macht verleihen.
Bei der Demokratisierung des institutionellen Gefüges setzen alle vier Parteien auf eine Stärkung des Europäischen Parlaments. Die SPD will das „Gewaltenteilungsmodell, das wir aus den nationalen Staaten kennen, auch auf die europäische Ebene übertragen“. Dafür soll die Europäische Kommission „zu einer Regierung ausgebaut werden, die vom Europaparlament gewählt und kontrolliert wird und ggf. abgesetzt werden kann“. Im Zuge einer „vollen Parlamentarisierung der EU“ soll das Parlament künftig ein Recht zur Gesetzesinitiative erhalten. Außerdem will die SPD eine „parlamentarisch kontrollierte Wirtschaftsregierung“ der Eurozone, für die „Europäisches Parlament und nationale Parlamente weiter gestärkt werden“ sollen. Wie das im Einzelnen aussehen soll, erklärt sie allerdings nicht.

Auch die Grünen sprechen sich für eine weitere Parlamentarisierung aus, was sich in dem Programm in der technisch formulierten Forderung niederschlägt, der „Gemeinschaftsmethode […] grundsätzlich Vorrang vor intergouvernementalem Handeln einzuräumen“. Im Einzelnen wollen auch sie dem Parlament das Recht zur Wahl des Kommissionspräsidenten, das Recht zur Gesetzesinitiative und ein „Mitspracherecht bei den Krisenmechanismen und der Economic Governance“ geben. Außerdem soll bei der Bankenaufsicht eine „demokratische Rechenschaftspflicht der EZB gegenüber dem Europaparlament“ sichergestellt werden.

Etwas unspezifischer sind FDP und Linke. Die FDP will das Europäische Parlament „zu einem Vollparlament mit gleichberechtigtem Initiativrecht in der Gesetzgebung“ machen, schreibt aber auch dem Ministerrat eine „essentielle Rolle“ zu, „um demokratische Kontrolle und politischen Ausgleich […] im europäischen Mehrebenensystem zu garantieren“. Die Linke wendet sich gegen die „immer stärkere Ersetzung von Unionsrecht durch Vereinbarungen zwischen EU-Organen und Mitgliedstaaten“ und will die „Rechte des Europäischen Parlaments […] stärken“, geht darauf aber nicht näher ein.

Reform des Europawahlrechts

Wenn das Europäische Parlament noch stärker ins Zentrum des Institutionengefüges rücken soll, dann stellt sich natürlich auch die Frage, wie es eigentlich gewählt wird. Viel diskutiert wird dabei seit einigen Jahren die Forderung, dass die europäischen Parteien bei der Europawahl künftig mit transnationalen Listen antreten sollen – auch in diesem Blog habe ich dazu bereits einiges geschrieben. In den Wahlprogrammen von FDP und Grünen stößt dieser Vorschlag auf Zustimmung.

Die SPD hingegen stellt beim Europawahlrecht ein anderes Ziel in den Vordergrund: Sie will die „Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments dadurch stärken, dass wir uns in Deutschland sowie in der EU für Sperrklauseln bei der Europawahl einsetzen“. Auf nationaler Ebene hat der Bundestag diese Forderung allerdings bereits vor einigen Monaten mit der umstrittenen Dreiprozenthürde umgesetzt.

Europaweite Volksentscheide

Eine der meistgepriesenen Reformen des Vertrags von Lissabon war die Einführung der Europäischen Bürgerinitiative, durch die erstmals direktdemokratische Elemente auf EU-Ebene eingeführt wurden. Allerdings handelt es sich dabei lediglich um eine Art Volkspetition, die so gut wie keine verbindlichen Folgen hat. Verschiedene Beobachter, darunter auch ich selbst, haben daher schon Zweifel geäußert, wie viel die Bürgerinitiative letztlich tatsächlich bewirken kann.

Unter den deutschen Parteien fordern die Linke und die Grünen, die direkte Demokratie in der EU weiter auszubauen. Die Grünen wollen die Europäische Bürgerinitiative weiter stärken und mittelfristig in Richtung eines europäischen Volksentscheides entwickeln“; die Linke will „verbindliche Volksbegehren und Volksentscheide [...], mit denen auch die EU-Verträge geändert werden können“. Die übrigen Parteien äußern sich nicht zu dem Thema.

Verstoß von Mitgliedstaaten gegen Werte der Union

Ein weiteres Problem, das in den letzten Jahren viel diskutiert wurde, ist der Umgang der EU mit Regierungen ihrer Mitgliedstaaten, die gegen die Grundwerte von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Die Verfassungskrisen in Ungarn und Rumänien verdeutlichten, wie machtlos die europäischen Institutionen hier sind: Außer Art. 7 EU-Vertrag hält das Europarecht kaum Sanktionsmöglichkeiten gegen solche Regierungen vor; Artikel 7 aber ist mit solch hohen Hürden versehen, dass er praktisch irrelevant ist.

In ihren Wahlprogrammen erklären sich Grüne und FDP mit dieser Situation unzufrieden. Beide scheinen allerdings auch ein wenig ratlos, wie ihr abzuhelfen wäre. So fordert die FDP nur allgemein, „unterhalb dieser Schwelle des Artikels 7 […] einen angemessenen Mechanismus [zu] schaffen, der es der Europäischen Kommission erlaubt, die europäischen Grundwerte in den Mitgliedstaaten zu verteidigen und nötigenfalls spürbare und angemessene Sanktionen zu verhängen“. Kaum konkreter werden die Grünen. Diese wollen, dass die Kommission „viel öfter die bestehenden Möglichkeiten [nutzt]“, um europäische Geldzahlungen an die betreffenden Regierungen zurückzuhalten. Außerdem soll „diese Möglichkeit auf alle Teile des Unionshaushalts ausgedehnt werden“. Nach einer allzu großen Neuerung klingt das nicht. Die übrigen Parteien allerdings sagen zu dem Problem überhaupt nichts.

Europäische Steuern

Das Wort „Eigenmittelsystem“ klingt, als wäre es gerade dem Bürokraten-Handbuch entsprungen. Doch was sich dahinter verbirgt, ist nichts anderes als die Frage, wie die Ausgaben der Europäischen Union künftig finanziert werden sollen. Derzeit erfolgt dies im Wesentlichen durch Beiträge der Mitgliedstaaten, deren Höhe sich jeweils am nationalen Bruttoinlandsprodukt orientiert, wobei allerdings mehrere Nettozahler-Staaten (darunter neben Großbritannien auch Deutschland) besondere Beitragsrabatte genießen. In den letzten Jahren forderten die Kommission und das Europäische Parlament wiederholt eine Reform dieses Systems, bei der ein Großteil der nationalen Beiträge durch eine eigene EU-Steuer ersetzt werden soll. Von mehreren Mitgliedstaaten, insbesondere von der deutschen Bundesregierung, wurde dies bislang allerdings strikt abgelehnt.

In ihren Wahlprogrammen äußern sich nur Grüne und FDP zu dieser Frage – mit diametral entgegengesetzten Positionen. Die Grünen stellen sich dabei hinter die Forderung der Kommission und verlangen, dass der „Eigenmittelanteil […] erheblich ausgeweitet und die intransparenten Rabattregelungen abgeschafft werden“. Außerdem soll die Finanztransaktionssteuer künftig direkt „in den EU-Haushalt“ fließen. Die FDP hingegen will, dass „die EU-Mitgliedstaaten die eigene Budgethoheit und die Verantwortung zu sorgfältigem Haushalten auch in Zukunft behalten“, und lehnt eine EU-Steuer deshalb rundheraus ab. Nimmt man das FDP-Programm als Ganzes, führt dies zu dem bemerkenswerten Umstand, dass die Liberalen einen europäischen Bundesstaat wünschen, der jedoch keine Möglichkeit haben soll, sich selbstständig zu finanzieren.

Weitere institutionelle Forderungen

Auch sonst sind Grüne und FDP die Parteien mit den meisten Wünschen zur EU-Vertragsreform. Außer den genannten Vorschlägen wollen die Grünen auch, dass EU-Bürger ein allgemeines Wahlrecht an ihrem Wohnsitz erhalten, „und dies nicht nur für Kommunalparlamente und das Europaparlament, sondern auch bei regionalen und nationalen Wahlen, wenn sie seit fünf Jahren dort leben“. Außerdem wollen die Grünen das Amt des Kommissars für Wirtschaft und Währung aufwerten: Außer seinen bisherigen Zuständigkeiten soll er künftig auch „den Vorsitz der Eurogruppe und des ECOFIN ausüben“ und „durch das Europäische Parlament individuell wähl- und abwählbar sein“.

Die FDP wiederum fordert eine „Verkleinerung der Europäischen Kommission“, durch die künftig nicht mehr jeder Mitgliedstaat einen Kommissar stellen könnte. Außerdem will sie eine „zügige Umsetzung des Beitrittsabkommens“ der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention, das derzeit verhandelt wird. Und schließlich möchte die FDP „die Bundesbank im EZB-Rat stärken“, indem sie bei „außergewöhnlichen Entscheidungen wie dem Aufkauf von Staatsanleihen“ ein Veto-Recht erhalten soll – auch dies ein Vorschlag, über den ich in diesem Blog bereits ausführlicher geschrieben habe.

Kerneuropa

Wenig Informatives findet sich in den Wahlprogrammen zu der Frage, was die Europäische Union tun soll, wenn sich einzelne Mitgliedstaaten (sprich: Großbritannien) künftigen Integrationsschritten verweigern. Die FDP möchte in diesem Fall, wie schon erwähnt, Parallelverträge nach dem Vorbild des Fiskalpakts abschließen. Auch die Grünen sehen die Notwendigkeit, notfalls „im Einzelfall vorübergehend unterschiedliche Geschwindigkeiten der Integration zu entwickeln“. Dabei müssten aber „die Institutionen und Regeln des Gemeinschaftsrechts“ den „Rahmen der Zusammenarbeit“ bilden – was vermutlich ein verklausulierter Hinweis auf das Instrument der Verstärkten Zusammenarbeit ist.

Die CDU/CSU wiederum will „möglichst gemeinsam mit allen EU-Partnern voranschreiten“, spricht sich aber zugleich für eine „starke deutsch-französische Partnerschaft“ als „Motor“ der europäischen Integration sowie für die „Zusammenarbeit von Frankreich, Polen und Deutschland im Weimarer Dreieck“ aus. Genaueres ist von ihr (wie auch von SPD und Linke) nicht zu erfahren.

Subsidiarität, Renationalisierung von Kompetenzen

Ein beliebtes Schlagwort in der europäischen Debatte ist das (auch in Art. 5 EU-Vertrag verankerte) „Subsidiaritätsprinzip“, demzufolge Kompetenzen stets von der niedrigsten politischen Ebene ausgeübt werden sollen, die dazu sinnvoll in der Lage ist. Fast alle deutschen Parteien bekennen sich in ihren Programmen noch einmal ausdrücklich zu diesem Grundsatz – allerdings ohne daraus besonders konkrete Forderungen abzuleiten.

So will die CDU/CSU explizit „kein zentralistisch organisiertes und regiertes Europa“, sondern verlangt, dass „die Nationalstaaten und die Regionen prägende Bestandteile eines Europas der Einheit in Vielfalt“ bleiben. SPD und Grüne wollen unter Berufung auf das Subsidiaritätsprinzip prüfen, „ob sich die Kompetenzverteilung zwischen nationaler und europäischer Ebene bewährt hat“ (SPD), und sind „grundsätzlich dafür, Kompetenzen auf untere Ebenen zurückzugeben, wenn es sachlich sinnvoll erscheint“ (Grüne). Welche Kompetenzen das sein könnten, verraten sie allerdings nicht. Die FDP schließlich fordert ein neu zu gründendes „europäisches Subsidiaritätsgericht, in dem man auch Kompetenzverstöße rügen kann“. Wie sich dieses Subsidiaritätsgericht zusammensetzen und worin es sich vom bereits existierenden Europäischen Gerichtshof unterscheiden soll, bleibt dabei jedoch offen.

EU-Erweiterung, Beitritt der Türkei

Im Großen und Ganzen sehen es die deutschen Parteien gern, wenn die hellblauen Flecken auf der Europakarte dunkelblau werden.
Wenn es um die Weiterentwicklung der EU geht, darf natürlich auch die Frage nicht fehlen, welche Länder ihr denn künftig angehören sollen. Außer Island, das die Verhandlungen jüngst auf Eis gelegt hat, haben derzeit Mazedonien, Montenegro, Serbien und die Türkei den Status eines Beitrittskandidaten; Albanien, Bosnien und Herzegowina sowie Kosovo gelten offiziell als „potenzielle Beitrittskandidaten“.

Bis auf die Linke, die die Frage in ihrem Programm nicht thematisiert, bekennen sich alle deutschen Bundestagsparteien grundsätzlich zu der Beitrittsperspektive für die Staaten des Westbalkans, sobald diese die Kopenhagener Kriterien erfüllen. Die FDP fordert zudem, dass jedes dieser Länder „vor einer Entscheidung über seine Aufnahme alle offenen Streitfragen mit seinen Nachbarn abschließend lösen“ muss – was in erster Linie auf Serbien und Kosovo, aber auch auf Griechenland und Mazedonien anspielen dürfte. Außerdem will die FDP auch der Ukraine „langfristig […] eine Chance auf eine Beitrittsperspektive“ geben, „wenn sie in den kommenden Jahren konsequent auf einen Modernisierungskurs setzt und sich kontinuierlich an EU-Standards heranarbeitet“.

Traditionell umstritten ist hingegen der Beitritt der Türkei. SPD, Grüne und FDP wollen hier dieselben Kriterien wie auf dem Westbalkan anlegen und die Verhandlungen „mit dem klaren Ziel eines EU-Beitritts“ (SPD) fortsetzen, auch wenn zuvor noch „Defizite, z.B. im Fall von Pressefreiheit, Frauenrechten und Minderheitenschutz“ (Grüne) behoben werden müssen. Die CDU/CSU hingegen ist nur für eine „enge und besondere Zusammenarbeit“ und lehnt eine Vollmitgliedschaft der Türkei ab, weil diese „die Voraussetzungen für einen EU-Beitritt nicht erfüllt“ und die EU „angesichts der Größe des Landes und seiner Wirtschaftsstruktur“ überfordert wäre. Bemerkenswerterweise spiegelt diese Begründung allerdings nur die Kopenhagener Kriterien wider, zu denen sich auch die übrigen Parteien bekennen. Insgesamt scheint sich die CDU/CSU in dieser Frage inzwischen also nicht mehr ganz so grundsätzlich von den übrigen Parteien abzugrenzen wie in der Vergangenheit.

Fazit

Wer wissen will, wie das künftige institutionelle Gefüge der Europäischen Union aussehen könnte, der braucht im CDU/CSU-Wahlprogramm nicht nach Antworten suchen. Alle anderen Parteien wollen eine Vertragsreform, um das Europäische Parlament zu stärken und die EU an das Vorbild nationaler Demokratien anzugleichen. Insbesondere soll nach dem Wunsch von SPD und Grünen künftig das Parlament allein den Kommissionspräsidenten wählen. FDP und Grüne fordern außerdem transnationale Listen bei der Europawahl; Grüne und Linke wollen die Einführung europaweiter Volksentscheide. Außerdem sind die Grünen für ein allgemeines Unionsbürgerwahlrecht auch bei regionalen und nationalen Wahlen. Die FDP wiederum will die Europäische Zentralbank reformieren, um der deutschen Bundesbank ein Vetorecht zu verschaffen.

Uneinigkeit besteht zwischen Grünen und FDP über die Art, wie der EU-Haushalt künftig finanziert werden soll: Während die Grünen dafür eine europäische Steuer einführen möchten, beharren die Liberalen strikt auf einem System nationaler Mitgliedsbeiträge. In der Erweiterungspolitik sind sich alle Parteien hingegen weitgehend einig: Auch in der Frage des türkischen Beitritts zeigt die CDU/CSU zwar weiterhin die meisten Vorbehalte, nähert sich aber den Argumenten der übrigen Parteien an.

Die Bundestagswahl und Europa – Überblick:

1: Warum wir im nationalen Wahlkampf über Europa reden müssen
2: Haushaltskontrolle, Steuerharmonisierung, Kampf gegen Steuerflucht
3: Eurobonds, Schuldentilgungsfonds, Staateninsolvenz
4: Wachstum, Beschäftigung, Abbau wirtschaftlicher Ungleichgewichte
5: Soziale Mindeststandards, Mitbestimmung, öffentliche Daseinsvorsorge
6: Finanzmarktregulierung, Ratingagenturen, Bankenunion
7: Klimaziele, Emissionshandel, Energiewende
8: Agrarpolitik, Lebensmittelsicherheit, Umwelt
9: Netzpolitik, Datenschutz, Urheberrecht
10: Gemeinsame Außenpolitik, Rüstungskoordinierung, EU-Armee
11: Entwicklungspolitik, Transatlantische Freihandelszone, Beziehungen zu anderen Staaten
12: Migration, Schengen-Raum, Asylpolitik
13: EU-Konvent, Demokratie, Erweiterung

Bild: By Rock Cohen [CC BY 2.0], via Flickr; European Parliament [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr; Kolja21 (derivative work: Treehill) [Public domain], via Wikimedia Commons.

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